Das Akkordeon
Als er elf Jahre alt war, lag ein Akkordeon unter dem Weihnachtsbaum. Es war eine Hohner Concerto I, kein ungewöhnliches Modell. Er spielt sie bis heute. Es gibt zwei Oktaven im Diskant, 48 Bässe, und nur die acht wichtigsten Tonarten. Pete dachte sich in das Musikinstrument hinein. „Ich liebe dieses kleine, leichtgewichtige, freche und mobile Musikinstrument, das sich mit seinen starken Obertönen wundervoll durchsetzen kann, gleichzeitig sehr schnell über die Balgführung zu null Dynamik oder völliger Ruhe runterfahren lässt. Da kann man sehr viel Freiheit im Spiel ausleben“, schwärmt er. Aus dem Kleinsten das Beste herausholen, das ist eine Lebensphilosophie, die ihn seit damals begleitet. Sein Akkordeon ist ja fast ein halbes Spielzeuginstrument, mit dieser nicht ganz lautlosen Tastatur. Seinen ersten Akkordeonunterricht erhielt er von einer Opernsängerin. Die gab ihm hauptsächlich klassische Impulse. Ihre Begeisterung für die Musik war trotzdem ansteckend.
Im Studio
Apropos Spielzeug: Die Tastatur seines Akkordeons klappert bis heute ein wenig unprofessionell. Wenn er ins Studio geht, sucht sein Tontechniker nach Lösungen, um das zu ändern. Das klappt mal besser, mal schlechter, und manchmal passt das Geklapper sogar, weil es musikalisch und rhythmisch ist. Da ist wieder der Aspekt der Authentizität, der Echtheit. Oft wird Pete ins Studio gerufen, wenn einer Produktion noch etwas fehlt. Das ist die Art Herausforderung, die dem Musiker gefällt. Dann lässt er sich was einfallen, meistens völlig frei und immer dem Song dienlich.
Eine gute Referenz ist das Album A`s Kla von Gerd Köster und Frank Hocker. Da konnte sich die Quetsch, wie der Kölner das Akkordeon meistens nennt, richtig ausleben. Alles fing an mit einfachen Lagerfeuerversionen der Songs auf einem Tape. Das war die Grundlage für die spätere Session. Jeder der Musiker probierte für sich zuhause, und nachher wurde alles zusammen geschmissen. Der Clou: Das Ganze wurde im Studio mit der Band als 1st-Take-Studiosession eingespielt. Es gab keine Overdubs. Für Haaser ist so was der „Idealzustand“. Die Songs waren geradezu dazu angetan, mit Texmex-Melodien erweitert zu werden, und es hat bestens geklappt. „Ob man mit sich zufrieden ist, merkt man meistens mit einem gewissen Abstand“, sagt Haaser. Auf A ́s Kla ist er jedenfalls stolz!
Bands
Pete Haaser hat in den vergangenen Jahrzehnten Spuren in den künstlerischen Produktionen der Domstadt hinterlassen. 1981 hat er mit Satin Whale die Platte Don`t stop the show eingespielt und ist danach ein Jahr getourt. Dann brach über Nacht mit der Neuen Deutschen Welle eine andere Musikszene in die Welt herein. Es war eine für die meisten Musiker völlig unbekannte Herausforderung. Zahlreiche Bühnenmusiker entschieden sich, Studios zu gründen und Musik zu produzieren. „In dieser Zeit bekam ich das Angebot, im Bläck-Fööss-Studio zu arbeiten und habe für einige Jahre sehr viele Studiosessions eingespielt. Das war eine tolle Mischung aus den verschiedensten Genres“, erzählt Haaser. Mit dabei: Bläck Fööss, Moonbeats, Wolfgang Petry, Bernd Clüver, Wibbelstetz, Jakob Sisters, Mireille Mathieu
und weitere regionale und nationale Künstler. Ab den 90ern ging es wieder zurück auf die Bühne für Brings, Zeltinger und die Rheinrebellen. Ende der 90er waren es Beat- und Rockbands, die Rhingdöchter, Arno Steffen und das Duo Köster und Hocker. Seit 2000 ist der Akkordeonmann nun im Kulturbetrieb Eltzhof festes Ensemblemitglied der Musikprojekte Kölsche Weihnacht und Kölsch Milljö. Haasers künstlerische Aktivitäten sind kaum zu zählen. Immer wieder fällt auf, dass er keinen Unterschied macht zwischen engagierten Freizeitbands und hochprofessionellen Musikkomplizen. Wenn es ihm Spaß macht, ist er dabei.
Lesungen
Gleichzeitig hat der Musiker ein Faible für kleinere Projekte, etwa Lesungen mit Musik. Eines seiner Lieblingsprogramme: Der Jakobsweg von Tim Moore um die Geschichte eines störrischen Esels und seines Weggenossen, die sich auf den Weg nach Santiago de Compostela machen, um sich gegenseitig die Absolution zu erteilen. Bei seiner Recherche zur Entwicklung der Begleitmusik hat Haaser eine Menge gelernt, wie er sagt. „Ein tolles Erlebnis“, stellt er aus heutiger Sicht fest. Er kam in diesem Zusammenhang in Kontakt mit keltischer Musik. Dann ist da Gerd Kösters Ur-Kölsche Geschichtensammlung Tasse ha`mer jo noch (Kölsch für: Tassen haben wir ja noch), ergänzt um selbstgeschriebene Songs. „Das ist ein Muss für alle Kölsch-Inhalierer“, so der Musiker. Schließlich gibt es das Weihnachtsprojekt Se singe all vum Himmel, mit seelenwarmen Geschichten vom Leben und Überleben mit dem zwischenmenschlich krisenanfälligsten Fest des Jahres.
Kulturschock
Noch einmal zu den Anfängen in El Paso. Petes Vater kümmerte sich abends im Casino der German Air Base um die gute Laune der deutschen Familien. „An freien Tagen haben wir Tages- und Wochenendausflüge in die benachbarten Wüstenregionen unternommen“, erinnert sich Haaser. In den Ferien hängte der Vater den Wohnwagen ans Auto, und es ging wochenlang auf Tour. Nach Süden bis Acapulco, Mexico. Die Nordtour führte sie bis zu den Niagarafällen nach Kanada. „Ich war viel in der Wüste unterwegs, das hat mich geprägt, und ich hab in dieser Natur einiges gelernt“, so der Musiker. Er lernte die Indianerreservate kennen. Von überall her gab es unterschiedliche musikalische Eindrücke. Als die Familie nach Deutschland zurückging, landete sie in Bonn, was nicht die schlechteste Wahl ist, aber: „Hier war gerade Krautrock angesagt. Es gab nirgendwo eine Fiddel zu hören, und Akkordeon war überhaupt nicht modern.“ Haasers Fluchtweg führte in die Eifel, in die Nähe von Bitburg und Prüm, wo amerikanische Soldaten stationiert waren. Die GI-Clubs wurden zu seinem zweiten Zuhause. Da lief die beste Soulmusik, und die GIs hatten eigene Hausbands. „Die Freude aufs Wochenende hat mich immer durch die Woche gebracht, das war ein wahrer Segen“, stellt der Akkordeonist rückblickend fest.
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